Die Geschichte von Mawigo
Wie ich auf die Idee kam, Windelgeschenke zu kreieren, sie online zu verkaufen und eine Marke anzumelden?
Ein spannender Weg aus Bastelleidenschaft mit Designerherz.
Viel Spaß beim Lesen
Eines Tages stand ich bei einer Drogeriemarktkette, deren Namen nicht genannt werden soll, in der Schlange an der Kasse um meine Hygieneprodukte, die ich mir aus dem Warensortiment ausgesucht habe zu bezahlen. Vor mir stand eine blonde Frau, ungefähr mein Alter, also 29+ und auf dem Kassenband eine überdimensionale Windeltorte, die ausladend in Transparentfolie gewickelt war. Jede Menge Babyprodukte von Cremes, über Feuchttücher und Badeöl bis hin zu Schnuller und Zahnungsring, steckten in dem aufgetürmten Windelmonster.
Ich selber hatte zu meiner Babyparty vor einigen Jahren, als ich mit meinem Sohnemann schwanger war, auch zwei solcher Torten bekommen. Eine selbst gebastelte von einer guten Freundin und die zweite von meinem Mann. Er hat mich damals Tage vor der Party nicht in mein eigenes Büro gelassen, weil er dort die vierstöckige Windeltorte nach Internetanleitung gebaut hat. Nicht nur gebastelt, sondern wirklich gebaut. Er ist nämlich eher die Sorte Mann, die einen 15 x 20 cm Fotorahmen mit Dübel und Schraube an der Wand befestigen. Quasi der Typ „mit Kanonen auf Spatzen schießen“ oder „Nach fest, kommt ab“.
Diese von ihm gebaute Windeltorte war erdbebensicher. Was man von dem Gebilde vor mir auf dem Kassenband in besagter Drogerie irgendwie nicht behaupten konnte. Die sah doch ziemlich wackelig aus. Als würde sie gleich auseinanderfallen. Ich drückte innerlich der lieben Dame vor mir die Daumen, dass die Torte es bis zum Neugeborenen ans Wochenbett im Ganzen schaffen wird. Als Szenario malte ich mir im Kopf aus, wie die Zimmertür im Krankenhaus aufgeht, die Damen von der Torte verdeckt ans Bett torkelt, stolpert, weil sie aufgrund der Tortengröße ja nichts sieht, die Folie reißt und sich dann die Windeln samt Babyaccessoires auf der kompletten Bettdecke des Krankenhausbetts über die frischgebackene Mama verteilt. Dieser Besuch würde jedenfalls Jahre später noch in Erinnerung bleiben. Ich dachte mir also bei mir: „Das kann und sollte man doch besser machen!“ Na ja, zumindest etwas stabiler.
Da mein Sohn noch im Wickelalter war, hatten wir natürlich einige Windelpackungen zu Hause. Somit machte ich mich daran, diese Windeltorte in kompakt, stabil und „schön“ nachzubauen. Erst mal suchte ich im Internet nach DIY-Anleitungen, um mir anzuschauen, wie andere den Grundaufbau einer drei- bis vierstöckigen Windeltorte machen. Dieser war eigentlich ganz einfach. So ähnlich hatte ich mir das im Kopf auch schon zusammengereimt. Also drehte ich ca. 60 Windeln in kleine Rollen, um diese dann mit einer Pappröhre in der Mitte als Etagere aufeinander zu bauen.
Ja, bauen. Ich stellte am Ende fest, dass auch meine Windeltorte erdbebensicher geworden ist. Am Ende kamen noch blauen Schleifenbänder und diverse Dekoutensilien dazu, und im Nu war die Torte fertig. Und das war echt nicht schwer. So, was mach ich nun mit diesem Ding. Ich habe ja durch meine Arbeit als Babybauchdesignerin jede Menge schwangere Damen bei mir sitzen, die sich sicher über so ein Geschenk freuen würden. Soll ich es einfach verschenken? Noch besser wäre natürlich, wenn ich es verkaufen könnte. Meine Website für die Gipsbauch-Angebote besteht ja bereits. Vielleicht sollte ich es dort einfach zum Verkauf anbieten. Es wäre aber nicht ganz die richtige Zielgruppe, da sich Schwangere wohl kaum selber eine Windeltorte zur Geburt kaufen. Eher der Partner oder die Freunde und Verwandten.
Da ich schon immer ein Mensch war, der nicht lange zögert und Dinge einfach ausprobiert, habe ich die Torte nun also fotografiert, um Sie auf meine Website zu stellen. Aber nur eine Windeltorte in hellblau ist ja auch irgendwie langweilig. Außerdem ist Hellblau ja die typische Jungenfarbe. Was, wenn es ein Mädchen wird? Oder man vielleicht noch gar nicht weiß, welches Geschlecht das Baby hat? Also bastelte ich noch eine rosafarbene und später eine gelbe vierstöckige Windeltorte hinterher und stellte sie ins Netz. Ich habe mich gar nicht wirklich erkundigt, welche Angebote es im Internet zu Windelgeschenken bereits gibt. War mir in diesem Moment auch nicht so wichtig. So vergingen nun Tage und Woche und ich ging weiter meiner Arbeit als Designerin und Gipsabdruckkünstlerin nach.
Eines Tages plötzlich bekam ich dann eine E-Mail, in der mich eine Dame nach der hellblauen Windeltorte fragte. Sie würde diese gerne bestellen und wollte wissen, wie das mit dem Versand läuft? Wie lange würde der Versand dauern und mit welchem Lieferservice ich verschicke? Ich hatte mir noch gar keine Gedanken übers Verschicken gemacht und so überlegte ich, ob ich einen Karton im Keller habe der groß genug wäre um diese Windeltorte per Post zu verschicken. Eigentlich war die Torte gar nicht zum Versand gedacht, sondern zu Abholung. Ein Karton war dann schnell gefunden und so antwortete ich der Dame auf Ihre E-Mail und fragen Sie nach Ihrer Lieferadresse. Die Bezahlung funktioniert ja einwandfrei online und nach Zahlungseingang ging die hellblaue Windeltorte dann auf die Reise. Ich dachte mir: „Cool, das funktioniert ja!“
Heiß geworden von meinem unerwarteten Verkauf baute ich natürlich gleich die hellblaue Windeltorte nochmals nach, damit ich wieder die drei Farben an Windeltorten im Angebote und direkt lieferbar auf Lager hatte. Jetzt wusste ich ja auch, wie ich diesen großen „Windelturm“ gut verpackt verschicken kann. Während dem Nachbau dachte ich darüber nach, wie ich denn die richtige Zielgruppe besser erreichen könnte, also die Menschen, die nach einem Geburtsgeschenk suchten und denen solch eine Windeltorte gelegen käme.
Wo finde ich also kaufwillige Menschen, die frischgebackenen Eltern und deren Neugeborenen eine Freude machen wollen? Na ganz klar! In „Europas größtem Babyfachmarkt“ – wie er sich selbst tituliert – bei dem täglich gefühlt zigtausend Menschen einkaufen gehen. Die „BabyWelt“ in Gersthofen.
Ich wohnte ja damals in Augsburg, nur ein paar Kilometer weit weg von diesem riesigen Babyfachmarkt. Dort gingen hauptsächlich Schwangere und junge Eltern einkaufen aber auch sehr viele Großeltern, Freunde und Bekannte dieser Schwangeren, die ein tolles Geschenk zur Geburt suchten. Also hab ich kurzer Hand einen Brief an die Geschäftsleitung geschrieben. Darin habe ich mich und meine Unternehmen vorgestellt und Ihnen mein erarbeitetes Konzept erklärt. Ich würde mit meinen Windeltorten an einem Stand vor Ort sein und meine Zielgruppe dazu animieren, im Fachmarkt gekaufte Babyartikel auf einer meiner formschönen und bunt vor sich hin strahlenden Windeltorten zu platzieren. Eine Win-Win-Situation also.
Ein paar Tage später hatte ich tatsächlich eine Nachricht auf meinem AB. Die Geschäftsleitung der Babywelt bittet um Rückruf. Gleich zurückgerufen, einen Termin zur Besprechung vereinbart und wenige Tage später mit der rosafarbenen Windeltorte im Gepäck zum Fachmarkt gefahren.
Seit diesem Tag stand ich ein halbes Jahr lang an zwei Samstagen im Monat mit meinem von Mal zu Mal immer professioneller aussehenden Stand in Europas größtem Babyfachmarkt und verkaufte meine Windeltorten. Doch nicht nur diese. Über die Wochen kamen mir natürlich immer mehr Ideen zu neuen Windelkreationen und so waren am Schluss Windeltiere, Windelflugzeuge, Windelblumen, Windelbonbons, Windelkuchen usw. mit dabei. Das war der Start für meinen „neuen Geschäftszweig WINDELGESCHENKE“.
Ich habe natürlich meine Babybauch-Gipsabdruck-Website mit Bildern der neu entwickelten Windelkreationen ausstaffiert und zum Online-Kauf angeboten. Das Angebot wurde auch super angenommen. Nur ließ mich der Gedanke nicht los: „Das ist nicht die richtige Zielgruppe.“ Also die schwangeren Damen, die sich von mir einen Gipsabdruck ihres Babybauchs machen lassen sind nicht die Zielgruppe, die eine Windeltorte sucht. Für meine Windelgeschenke muss eine andere Plattform her.
Und so habe ich mir einen kleinen Shop auf der „Handmade-Plattform“ DaWanda eingerichtet und dort mit tollem Erfolg meine Windelkreationen präsentiert. Mehrere Verkäufe in der Woche verwandelten unser Wohnzimmer zum Paketlager und mich selbst zur Verpackungsspezialistin. Es hat total Spaß gemacht, immer wieder neue Windelgeschenk-Ideen umzusetzen und einzustellen.
Leider hat das Portal 2018 die Tore schließen müssen und mein DaWanda-Shop wurde zu Etsy „übersiedelt“. Da mir die Handhabung bei Etsy nicht so gut gefiel wie bei DaWanda, habe ich die bereits eingestellten Produkte auslaufen lassen und den Shop erst mal stillgelegt. Da ich immer noch Anfragen und Verkäufe über meine Babybauch-Gipsabdruck-Website habe, war das auch gar nicht schlimm und schenkte mir etwas mehr Zeit, mich um andere Projekte zu kümmern.
Als ich mal wieder im Netz unterwegs war, um zu sehen, was meine Mitbewerber im „Windelgeschäft“ alles so treiben – was nur ungefähr einmal im Jahr vorkam – blieb mir kurz der Atem weg. Ich entdeckte doch tatsächlich in einem Windeltorten-Shop eine Kopie meines selbst ausgedachten Windelbabys. Gleicher Aufbau, nur mit anderen Windeln.
Ich würde mir niemals anmaßen, mich als „Erfinderin“ der Windelgeschenke zu sehen, diese Geschenkidee hatten schon viele vor mir. Aber mein Windelbaby hat mich bei der Erstellung den letzten Nerv gekostet und mich sogar Tränen vergießen lassen. Damit es so schön leichtfüßig und nett aussieht und gleichzeitig stabil und robust ist, war einiges Tüfteln, in die Tonne treten und nochmals von vorne überlegen, notwendig. Im Internet habe ich viele Windelbaby-Varianten entdeckt, die mir einfach nicht gefielen. Das Baby sah dabei oft recht leblos aus, auf dem Bauch liegend mit verdecktem Gesicht. Noch dazu schlecht fotografiert sahen diese Windelbabys echt gruselig aus, fand ich und entschloss, eine eigene Version zu kreieren. Bis es so weit war, vergingen also einige Tage. Und nun seh ich da meine Kreation auf einer anderen Website. Das war ein Stich ins Herz. Ich hätte es nicht gedacht, aber es hat sich tatsächlich wie Liebeskummer angefühlt.
Dieses Gefühl schleppte ich einige Tage mit mir herum, hab mit meinem Mann darüber gesprochen und schon überlegt, wie ich den Shop-Betreiber anschreiben soll, um die „Sache zu klären“. Nur was soll ich eigentlich klären, dass sich diese Person Ideen aus dem Internet holt und einfach nachbaut? Mach ich das nicht irgendwie auch? So eine klassische Windeltorte gibt es ja schon Jahrzehnte, viele haben sie schon angeboten und verkauft. Hab ich die dann nicht auch irgendwie kopiert? Aber mein süßes Windelbaby mit dem netten Gesichtchen … es war doch meine Idee !!!
Da mich das Thema einfach nicht losließ, hab ich beschlossen einen Anwalt zu kontaktieren und mich über „Recht und Unrecht“ aufklären zu lassen. Kann ich vielleicht sogar ein Geschmacksmuster für meine Windelbabys eintragen und somit rechtlich gegen Nachahmer vorgehen? Will ich das eigentlich? Eigentlich bin ich dafür gar nicht der Typ. Leben und leben lassen. Und wenn tatsächlich mein Windelbaby als Vorlage gedient hat, dann kann ich ja eigentlich stolz darauf sein, dass es jemand so gut fand, um es in seine Produktpalette aufzunehmen.
Trotzdem war ich neugierig und wollte mich diesbezüglich vom Fachmann beraten lassen. Also habe ich namhafte Patentanwälte kontaktiert und einen Termin vereinbart. Eine spannende Geschichte, da ich noch nie etwas mit Anwälten zu tun hatte.
Ich fuhr also am Termin zur Kanzlei mit einem hellblauen Windelbaby im Gepäck. Ich wurde empfangen und durfte in einem sehr ansehnlichen Besprechungsraum mit Panorama-Fenster-Sicht über ganz Augsburg, Platz nehmen. WOW, was für ein Ausblick. Dann begrüßten mich die beiden Anwälte – ein Rechtsanwalt und ein Patentanwalt – und ich erklärte ihnen den Grund meines Besuches. Erst dachte ich, dass mein Anliegen für die beiden jungen dynamischen Anwälte doch vielleicht etwas lächerliche erscheinen mag, aber sie waren sehr offen und haben mein „Problem“ sehr ernst genommen. Einer der beiden war sogar sehr begeistert von meinen Windelgeschenken und meinte: „Sie haben da ein sehr hochwertiges und stilvolles Produkt. Handmade wird immer beliebter. Also ich würde bei Ihnen kaufen.“
Die Anmeldung eines Geschmacksmusters würde bei meinem Windelbaby keinen Sinn machen, da es schon zu lange auf dem Markt ist. Aber bei neuen Eigenkreationen wäre solch eine Anmeldung vor der Veröffentlichung ratsam, um gegen zukünftige Plagiatoren rechtlich vorgehen zu können. Im Laufe des Gespräches stellte ich fest, dass ich eigentlich gar keinen Groll auf meinen Nachahmer hatte, sondern mir einfach mein selbsterdachtes Windelbaby so ans Herz gewachsen war.
Von den beiden Anwälten kam dann der Vorschlag, eine Marke für die komplette Produktpalette meiner Windelgeschenke anzumelden – also sich einen Markennamen zu überlegen und diesen schützen zu lassen. Da war es um mich geschehen. Die Idee einer eigenen Marke ließ mich innerlich Luftsprünge machen. Ich war Feuer und Flamme. Einen eigenen Markennamen für meine Windelgeschenke – das ist es, das fühlt sich richtig an, das will ich haben.
Der anfängliche Ärger über das Kopieren meines Windelbabys war verflogen. Ich fuhr nach Hause und eröffnete meinem Mann, dass ich meine Windelgeschenke zur Marke machen werde. Doch wie soll „mein Baby“ heißen?
Nun war es also daran, dem „Projekt Windeltorte“ einen Namen zu geben. Doch während man bei einem Babynamen Überlegungen anstrengt wie z.B.
- Habe ich schon bestimmte Lieblingsnamen?
- Soll es ein langer oder kurzer Namen sein?
- Soll das Baby wie Oma oder Opa heißen?
- Soll es nur einen oder mehrere Namen bekommen?
- Welche Spitznamen kann man aus dem Namen machen?
- Kenne ich schon eine Person mit diesem Namen?
muss man sich bei einem Markennamen ja andere Dinge überlegen.
Was dann folge hat über ein Jahr Zeit in Anspruch genommen. Hauptsächlich deshalb, weil ich ja noch in meinen anderen Unternehmen tätig bin. Ich designte das Markenlogos und richtete eine neue, eigenständige Website ein, die von den Babybauch-Gipsabdrücken gelöst ist. Ich habe tagelang Windelgeschenke gebaut, fotografiert und die Fotos bearbeitet, um mit hochwertigem Bildmaterial die neue Website zu bestücken. Als diese endlich online gehen konnte, machte ich nur eine kurze Pause, um mich direkt an die Erstellung des Online-Shops zu setzen. Dieser ist nun seit Mitte April freigeschalten aber noch längst nicht fertig. Ich hab noch so viele Ideen, die ich in den nächsten Wochen und Monaten angehen werde. Ich freue mich riesig, sie nach uns nach in die Tat umzusetzen. Begleitet mich gerne auf diesem Weg, schaut ab und zu bei mir vorbei oder überrascht glückliche Eltern und ihr neugeborenes Babys mit einem meiner mit Liebe hergestellten Unikate.
Viele liebe Grüße
Melanie von Mawigo
Das beste Geschenk, ist der Schenkende.
© Paul Mommertz (*1930)
Deutscher Schriftsteller und Autor von Drehbüchern, Bühnenstücken und Hörspielen.